Posts for Tag : Interessenabwägung

Gegen Eigenbedarfskündigung schützen Alter und tiefe Verwurzelung  0

Soweit sich der Mieter in einem hohen Lebensalter befindet, kann die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses den Mieter in seiner durch Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Menschenwürde verletzen.

Dies setzt voraus, dass der Mieter tief am Ort der Mietsache verwurzelt ist und für diesen keine konkret realisierbare Chance mehr besteht, seine private Existenz aufgrund einer autonomen Entscheidung an einem anderen Ort unter Erhalt der an seinem bisherigen Wohnort vorhandenen Wurzeln erneut und auf Dauer wieder aufzubauen.

Soweit die Kündigungsfolgen den Mieter in seiner Menschenwürde verletzen, kann die Interessenabwägung gemäß § 574 Abs. 1 BGB allenfalls dann zu Gunsten des Vermieters ausfallen, wenn dessen Erlangungsinteresse besonders dringlich ist. Jedenfalls reicht die Benachteiligung des gewöhnlichen Komforts, sowie wirtschaftlicher Nachteile dafür nicht aus (IBRRS 2021, 2064; BGB § 546 Abs. 1, § 566 Abs. 1, § 574 Abs. 1, § 985; GG Art. 1 Abs. 1; LG Berlin, Urteil vom 25.05.2021 – 67 S 345/18; vorhergehend: BGH, Urteil vom 03.02.2021 – VIII ZR 68/19;
LG Berlin, Urteil vom 12.03.2019 – 67 S 345/18
AG Berlin-Mitte, 26.10.2018 – 20 C 221/16).

Erkrankung des Mieters rechtfertigt keine fristlose Kündigung  0

Das Recht zur fristlosen Kündigung aus § 543 Abs. 1 BGB kann vertraglich nicht abbedungen werden.

Die Interessenabwägung des § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB muss sich an dem gesetzlichen Leitbild des Mietrechts ausrichten.

Jedenfalls in einem Gewerberaummietverhältnis rechtfertigt die Erkrankung des Mieters nicht dessen fristlose Kündigung.

Besteht Unklarheit, ob die Parteien tatsächlich im Vertrag eine Regelung getroffen haben, etwa, weil er sprachliche Unklarheiten enthält, ist der Vertrag zunächst auszulegen. Kann so festgestellt werden, was die Parteien geregelt haben, liegt ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht vor (IBRRS 2020, BGB §§ 537543550; 2543; OLG Rostock, Urteil vom 09.07.2020 – 3 U 79/19).

Kündigung seitens des Mieters aufgrund schwerer Erkrankung  0

Gemäß § 543 Abs. 1 BGB ist das Recht zur fristlosen Kündigung vertraglich nicht abdingbar.

Die Interessenabwägung des § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB hat sich am gesetzlichen Leitbild des Mietrechts ausrichten.

Zumindest in einem Gewerberaummietverhältnis rechtfertigt die Erkrankung des Mieters keine fristlose Kündigung des Mieters.

Besteht Unklarheit, ob die Parteien tatsächlich im Vertrag eine Regelung getroffen haben, etwa, weil diese sprachliche Unstimmigkeiten enthält, bedarf der Vertrag zunächst auszulegen. Kann auf diese Weise festgestellt werden, was die Parteien geregelt haben, liegt kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB vor (IBRRS 2020, 2211; BGB §§ 536b537 Abs. 2, § 543 Abs. 1 Satz 2, $§ 550, 574, 594c; OLG Rostock, Urteil vom 09.07.2020 – 3 U 78/19 (nicht rechtskräftig; vorhergehend: LG Stralsund, 29.08.2019 – 4 O 75/17).

Keine Verwertungskündigung bei provoziertem Sanierungsstau  0

Wird für eine vermietete Immobilie eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgesprochen, kann im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sein, ob ein gravierender Sanierungsstau vorliegt.

Hat der Vermieter die Immobilie dem sichtbaren Verfall preisgegeben und damit gegen die ihm obliegenden Instandhaltungspflichten verstoßen, kann dieser sich nicht darauf berufen, das Unterbleiben von Renovierungsarbeiten nicht mit dem Ziel verfolgt zu haben, später eine Verwertungskündigung auszusprechen (IBRRS 2020, 1368; BGB §§ 242535 Abs. 1 Satz 2, §§ 546573 Abs. 2 Nr. 3, §§ 985986; GKG § 41 Abs. 1 LG Osnabrück, Urteil vom 29.01.2020 – 1 S 117/19; vorhergehend: AG Meppen, 27.03.2019 – 3 C 167/17).