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Keine Kündigung wegen Mängeln vor Abnahme bei unwiksamer Vereinbarung von § 4 Abs. 7 VOB/B  0

Sofern die VOB/B nicht als Ganzes durch den Auftraggeber vereinbart wurde, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso, wie die hierauf rückbezogene Bestimmung des § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) der Inhaltskontrolle nicht stand.

Die Kündigungsregelung gemäß § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne des§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist deswegen unwirksam (IBRRS 2023, 0656; BGB § 307 Abs. 1, 2, §§ 314, § 648a; VOB/B (2002) § 4 Nr. 7 Satz 3, § 8 Nr. 3 Abs. 1BGH, Urteil vom 19.01.2023 – VII ZR 34/20; vorhergehend: OLG Naumburg, 20.02.2020 – 1 U 6/14; LG Halle, 13.12.2013 – 11 O 64/06).

Fiktive und konkludente Abnahme ausgeschlossen, sofern förmliche Abnahme vereinbart  0

Bei Vereinbarung einer förmlichen Abnahme gem. § 12 Abs. 3 VOB/B sind sowohl die Abnahmefiktion des § 12 Abs. 5 VOB/B, als auch die Abnahme durch schlüssiges Verhalten (konkludente Abnahme), ausgeschlossen.

Bei der förmlichen Abnahme handelt es sich um eine – vereinbarte – empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine berechtigte Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber kommt nur bei Vorliegen wesentlicher Mängel in Frage. Hierdurch wird der Auftragnehmer nicht unangemessen benachteiligt.

Die Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft i. H. v. 10 %, welche „sämtliche Ansprüche“ absichert, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers nur dann unwirksam, wenn nicht klar geregelt wurde, dass die Bürgschaft unmittelbar nach Abnahme zurückzugeben ist, oder der Sicherungsumfang nach Abnahme auf andere Art und Weise auf 5 % beschränkt ist (BGB §§ 305307 Abs. 1, § 765; VOB/B § 12; Anschluss an OLG Frankfurt, IBR 2020, 126); OLG München, Beschluss vom 08.03.2022 – 28 U 9184/21 Bau; vorgehend OLG München, Beschluss vom 01.02.22- 28 U 9184/21 Bau, LG München I vom 17.12.2021- 14 HK O 4100/20).

Bei funktionstauglicher Leistung und DIN-Konformität ist Mängelbeseitigung unverhältnismäßig  0

Für die Frage, ob ein Werk mangelhaft ist, ist nach durchgeführter Abnahme grundsätzlich der Zustand des Werks zum Zeitpunkt der Abnahme entscheidend. Allerdings liegt ein gewährleistungspflichtiger Mangel auch dann vor, soweit dieser zwar erst nach der Abnahme erstmalig sichtbar wird, die tatsächlichen Ursachen des Mangels aber schon bei Abnahme existent gewesen sind.

Soweit der Auftraggeber Mängelansprüche geltend macht, hat dieser darzulegen und zu beweisen, dass die Mangelursache bereits zum Zeitpunkt der Abnahme vorhanden war. Dem Auftraggeber stehen allerdings keinerlei Mängelbeseitigungsansprüche zu, sofern als Mangelursache auch eine unterbliebene Wartung in den Jahren nach der Fertigstellung ursächlich gewesen sein könnte.

Sofern das Leistungsverzeichnis keinerlei Angaben hinsichtlich Wartungsarbeiten enthält, hat der Auftragnehmer den Auftraggeber jedenfalls dann nicht mehr darauf hinweisen, sofern die Wartung in der Praxis ohnehin nicht mehr von Bauunternehmen durchgeführt wird (IBRRS 2022, 3337; BGB §§ 633635 Abs. 3; VOB/B § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 1, 3, 6; OLG Hamm, Urteil vom 18.08.2022 – 24 U 51/20
vorhergehend: LG Paderborn, 02.03.2020 – 3 O 357/18).

Keine Abnahme ohne Abnahmereife  0

Ein Anspruch auf Abnahme besteht nur dann seitens des Auftragnehmers, soweit die Leistung abnahmereif hergestellt ist.

Nur soweit das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt ist, folglich der Herstellungsprozess abgeschlossen ist, ist die Leistung abnahmereif. Unwesentliche (Rest-)Mängel hindern die Abnahme hingegen nicht.

Sofern seitens des Auftragnehmers noch in erheblichem Umfang Mängelbeseitigungsarbeiten vorgenommen werden, oder ein Abschlag für Mängel angeboten wird, wird dem Auftraggeber gegenüber gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Arbeiten abgeschlossen sind.

Eine fiktive Abnahme setzt ebenfalls einen abgeschlossenen Herstellungsprozess voraus. Andernfalls wäre eine gesetzte Frist unbeachtlich (IBRRS 2022, 2359; BGB § 640; OLG München, Beschluss vom 04.02.2020 – 28 U 3831/19 Bau;
vorhergehend: OLG München, Beschluss vom 17.09.2019 – 28 U 3831/19 Bau; LG München I, 13.06.2019 – 11 O 18154/18
nachfolgend: BGH, Beschluss vom 04.05.2022 – VII ZR 32/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

Mängelrechte vor der Abnahme im BGB-Bauvertrag  0

Selbst wenn der mit einem privaten Auftraggeber geschlossene Bauvertrag auf die VOB/B Bezug nimmt, wird diese nicht Vertragsbestandteil, soweit der Auftragnehmer die VOB/B dem Auftraggeber vor oder bei Vertragsschluss nicht ausgehändigt hat.

Grundsätzlich kann der Auftraggeber die Abnahme auch verfrüht erklären. Soweit die Leistung noch nicht vollständig erbracht ist, kommt eine vorzeitige konkludente Abnahme allerdings nicht in Betracht.

Dem Auftraggeber steht auch vor Abnahme ein Anspruch auf Erstattung der Kosten Ersatzvornahme für die Fertigstellung der Leistung zu, sofern der Auftragnehmer mit der Herstellung in Verzug gerät.

Die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragnehmers, nach der „die Fertigstellung i.S. des Zahlungsplans bedeutet, dass die Arbeiten im Wesentlichen fertig gestellt sind und Rest- oder Nachbesserungsarbeiten nicht zur Zurückhaltung der gesamten Rate berechtigen“, benachteiligt den Auftraggeber unangemessen und ist daher rechtsunwirksam (IBRRS 2022, 2093; BGB §§ 280281305 Abs. 2 Nr. 2, § 307 Abs. 1, §§ 632a633634637640; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.06.2022 – 22 U 192/21; vorhergehend: LG Krefeld, 26.08.2021 – 5 O 292/18).

Kostenerstattung auch ohne Kündigung bei Mängeln vor Abnahme  0

Die Leistung ist als mangelhaft einzustufen, soweit der Auftragnehmer ein anderes als das vertraglich vereinbarte Baumaterial verwendet.

Der Anspruch auf Ersatz der Kosten der ordnungsgemäßen Bauherstellung durch einen Dritten wegen eines Mangels vor Abnahme setzt voraus, dass
– die Leistung als mangelhaft erkannt wurde und der Auftragnehmer seiner Pflicht zur Mangelbeseitigung nicht nachgekommen ist,
– eine dem Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung gesetzte angemessene Frist ungenutzt verstrichen ist,
– dem Auftragnehmer die Kündigung angedroht wurde und
– der Auftraggeber nach ungenutztem Fristablauf der zur Mangelbeseitigung gesetzten Frist die Kündigung des Vertrags erklärt hat.

Einer Kündigung bedarf es nicht, wenn der Auftragnehmer die vertragsgerechte Fertigstellung endgültig verweigert (BGH, IBR 2009, 14) ( IBRRS 2022, 1455 ; VOB/B § 4 Abs. 7, § 8 Abs. 3;
OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2021 – 11 U 226/20
vorhergehend: OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.06.2021 – 11 U 226/20; LG Neuruppin, 30.09.2020 – 6 O 56/18
nachfolgend: BGH, Beschluss vom 12.01.2022 – VII ZR 827/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen).

Heizungsanlage gilt drei Monate nach Fertigstellung als konkludent abgenommen  0

Von einer konkludenten Abnahme ist auszugehen, wenn keine wesentlichen Vertragsleistungen mehr offen sind und sich aus dem Verhalten des Auftraggebers ergibt, dass dieser die Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht annimmt.

Von einen Abnahmewillen ist regelmäßig nur dann auszugehen, soweit der Auftraggeber Gelegenheit hatte, die Beschaffenheit des Werks zu überprüfen. Dabei hängt die Dauer der Prüfungs- und Bewertungsfrist vom Einzelfall ab.

Sofern der Auftragnehmer mit der Installation einer Heizungsanlage beauftragt wurde, dürfte jedenfalls zur Winterzeit eine Prüffrist von drei Monaten ausreichend und angemessen sein (IBRRS 2022, 1234; BGB § 214 Abs. 1, §§ 633634a Abs. 1, § 640; OLG München, Beschluss vom 17.05.2021 – 28 U 744/21 Bau
vorhergehend: OLG München, Beschluss vom 23.03.2021 – 28 U 744/21 Bau; LG Ingolstadt, 21.01.2021 – 52 O 1009/15 Bau
nachfolgend: BGH, Beschluss vom 10.11.2022 – VII ZR 565/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

Unternehmer hat auf Sicherheitsrisiken hinzuweisen  0

Sofern der Werkunternehmer mit Instandsetzungsarbeiten beauftragt wird, hat dieser seine Leistung so auszuführen, dass diese den zum Zeitpunkt der Abnahme geltenden anerkannten Regeln der Technik und des Sicherheitsstandards entspricht.

Soweit der Auftrag des Werkunternehmers nicht sämtliche Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Funktion der instandzusetzenden Technik erforderlich sind, erfasst, so hat dieser dem Auftraggeber bezüglich der hieraus erwachsenden Sicherheitsrisiken einen entsprechenden Hinweis zu erteilen (IBRRS 2022, 1025; BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 633634 Nr. 4; OLG Koblenz, Beschluss vom 09.06.2021 – 6 U 1094/20; vorhergehend: OLG Koblenz, Gerichtlicher Hinweis vom 21.01.2021 – 6 U 1094/20; LG Trier, 16.06.2020 – 4 O 176/17; nachfolgend: BGH, Beschluss vom 10.11.2022 – VII ZR 672/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen).

Abnahme kann vorzeitig erklärt werden  0

Für die Abnahme ist eine Vollendung des Werks nicht ausnahmslos Voraussetzung. Nach den Gesamtumständen kommt es maßgeblich darauf an, ob das Verhalten des Auftraggebers auftragnehmerseits dahingehend zu verstehen ist, dass dieser die erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht einstuft. Ob die Leistung Mängel hat oder noch nicht vollständig fertiggestellt ist, ist demgegenüber nicht hinderlich.

Auch eine vorzeitige Abnahme kann durch den Auftraggeber erklärt werden. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob sich der Auftraggeber der Tatsache der Vorwegabnahme bewusst ist.

Soweit eine Abnahme unter Erstellung eines Abnahmeprotokolls erfolgt, welches Mängel enthält, stellt dies eine Abnahme unter Vorbehalt der aufgeführten Mängel dar (IBRRS 2022, 0024; BGB § 640; OLG Rostock, Urteil vom 24.11.2020 – 4 U 163/12; vorhergehend: LG Neubrandenburg, 27.11.2012 – 4 O 133/02; nachfolgend: BGH, Beschluss vom 21.07.2021 – VII ZR 239/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).

Mängelbeseitigungsvor-schuss vor Abnahme auch ohne Kündigung, bei ernsthafter Verweigerung der Fertigstellung  0

Soweit die Leistung des Auftragnehmers vor der Abnahme Mängel aufweist, kann der Auftraggeber eines VOB- Vertrags grundsätzlich erst nach einer Auftragsentziehung (Kündigung) einen Vorschuss auf die Mängelbeseitigungskosten verlangen.

Allerdings steht dem Auftraggeber auch ohne die Entziehung des Auftrags ein Anspruch auf Kostenvorschuss, oder auf Ersatz der Fremdnachbesserungskosten, zu, wenn der Auftragnehmer die vertragsgemäße Fertigstellung ernsthaft und endgültig verweigert.

Gegenstand einer Feststellungsklage kann die Feststellung sein, dass eine Forderung durch Aufrechnung erloschen ist (IBRRS 2021, 3666; VOB/B § 4 Abs. 7, § 8 Abs. 3; ZPO § 256;
OLG Celle, Urteil vom 11.11.2021 – 6 U 19/21).